EU-Parlament bestimmt rote Linien für Brexit

Der Startschuss für das Austrittsverfahren Großbritanniens aus der EU, Brexit, ist gefallen. Der britische und der europäische Bauernverband haben Bedenken, vor allem was die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den Briten betrifft.

Die Exportbeziehungen zwischen der EU und Großbritannien müssen nach dem Brexit neu verhandelt werden.

Wir haben keine Ahnung, wie es in den kommenden zwei Jahren weitergeht.“ Das sagt die britische Agrarjournalistin Melanie Jenkins zum Thema Brexit. Ende März hat die britische Premierministerin Theresa May das offizielle Austrittsansuchen Großbritanniens aus der EU gestellt – der Brexit kann beginnen. Nun hat Großbritannien zwei Jahre Zeit, um über die Einzelheiten des Austritts zu verhandeln.
Das Austrittsabkommen kann ohne die Zustimmung des EU-Parlaments jedoch nicht in Kraft treten. Die EU-Abgeordneten haben bereits mit großer Mehrheit eine Entschließung verabschiedet, in der sie die „roten Linien“ definieren, die nicht überschritten werden dürfen.

Wirtschaft und Sicherheit nicht verknüpfen

Die Resolution warnt davor, „Zugeständnisse im Bereich der Sicherheit mit Zugeständnissen bei den künftigen Wirtschaftsbeziehungen“ zwischen der EU und Großbritannien zu verknüpfen. Die Parlamentarier lehnen jede Art von „Rosinenpickerei oder punktuellen Wirtschaftsbeziehungen“ ab und bekräftigen die Unteilbarkeit der vier Freiheiten des Binnenmarktes: freier Warenverkehr, Kapitalverkehr, Dienstleistungsverkehr und Personenverkehr.
Schließlich heißt es in der Entschließung, dass nur dann, wenn es in den Gesprächen über das Austrittsabkommen „substanzielle Fortschritte“ gibt, auch Gespräche über mögliche Übergangsregelungen aufgenommen werden können, die nicht länger als drei Jahre gelten dürfen. Ein Abkommen über die zukünftige Beziehung zwischen der EU und Großbritannien kann erst nach dem Austritt Großbtitanniens aus der EU geschlossen werden, informiert das EU-Parlament.
Klare Regeln bei den zukünftigen Handelsbeziehungen sind auch für den Bauernstand bedeutsam. In der britischen Bauernschaft herrschte vor dem Brexit-Referendum am 23. Juni 2016 geteilte Meinung. Der britische Bauernverband (NFU) hatte zwar keine aktive Kampagne gestartet, sich aber für den Verbleib in der EU ausgesprochen. Nun versucht der Bauernverband, sich auf die Zukunft ohne EU-Mitgliedschaft vorzubereiten.

Britische Bauern fordern Sicherheit

In einem Bericht fordert der Verband Stabilität und faire Preise für Konsumenten und Bauern. Die britische Regierung sollte sich deshalb um den bestmöglichen Marktzugang innerhalb und außerhalb der EU bemühen. Der Verband fordert die Regierung auf, die große wirtschaftliche Bedeutung des Agrarsektors in Großbritannien zu beachten. Schließlich sei die Landwirtschaft „das Grundgestein des größten produzierenden Sektors“ – der Lebensmittelindustrie – mit einem Wert von 108 Mrd. Pfund (126,6 Mrd. Euro) und 3,9 Mio. Beschäftigten. Der britische Bauernverband weist aber auch darauf hin, dass erst Handelsabkommen sichergestellt werden müssten, bevor man eine neue britische Agrarpolitik entwerfen könne.

„Der Brexit darf nicht auf Kosten der Landwirte gehen.“
pekka pesonen, copa & Cogeca

Der Brexit wird sich aber nicht nur auf die britische Agrar- und Handels-
politik auswirken, sondern auch auf die der EU. Die Dachverbände der europäischen Landwirte und Genossenschaften, Copa und Cogeca, legten „zentrale Bedenken“ hinsichtlich dieser Auswirkungen auf die europäische Landwirtschaft vor.
Copa-Cogeca-Generalsekretär Pekka Pesonen sagte: „Wir bedauern die Entscheidung, das Brexit-Verfahren in Gang zu setzen. Wir glauben, dass infolge dieser Entscheidung der britischen Regierung Landwirte und landwirtschaftliche Unternehmen auf beiden Seiten vor großen Schwierigkeiten stehen werden. Auch die Verbraucher, welche bislang von einer großen Auswahl an hochwertigen Erzeugnissen aus der ganzen EU profitieren konnten, werden die Auswirkungen zu spüren bekommen.“

Druck auf die Regierung Großbritanniens

Großbritannien ist laut Copa und Cogeca Nettoimporteur von Erzeugnissen der Land- und Lebensmittelwirtschaft mit einem Wert von 57 Mrd. Euro, und es ist sehr gut in den Binnenmarkt integriert. Zugleich gehen 60 Prozent der britischen Agrar- und Lebensmittelausfuhren (Rindfleisch, Lamm, Geflügel, Milch, Getreide) im Wert von elf Mrd. Pfund (fast 13 Mrd. Euro) in die EU. Großbritannien ist zudem bekanntlich ein Nettobeitragszahler zum EU-Haushalt.
„Copa und Cogeca haben folglich ernsthafte Bedenken hinsichtlich der potenziellen Handels- und Haushaltsauswirkungen des Brexits auf die europäischen Landwirte und ihre Genossenschaften. Wir sind der Ansicht, dass der Brexit nicht auf Kosten der Landwirte und ihrer Familien gehen darf. Wir erwarten, dass die britische Regierung ihre Verpflichtungen im aktuellen EU-Haushaltsrahmen einhält und auch weiterhin zu den Programmen steht, zu denen sie sich verpflichtet hat und die über 2020 hinausgehen“, so Pesonen.

Aktuellen GAP-Haushalt aufrechterhalten

Es müssten laut Copa und Cogeca Wege gefunden werden, wie der aktuelle Haushalt für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) aufrecht erhalten werden könne. De facto macht die Landwirtschaft weniger als ein Prozent der öffentlichen Gesamtausgaben der EU aus und sichert im Gegenzug eine Versorgung mit hochqualitativen Lebensmitteln für 500 Mio. Verbraucher. Jegliche Störung des landwirtschaftlichen Handels sollte vermieden werden. Ansonsten seien es am Ende die Landwirte und ihre Genossenschaften, die doppelt für den Brexit zahlen müssten – sowohl im Hinblick auf den Haushalt als auch auf den Handel, so Pesonen.
Dies könnte negative Folgen für die gesamte Wirtschaft, Wachstum und Arbeitsplätze der EU nach sich ziehen, so die Einschätzung der europäischen Dachverbände.

- Bildquellen -

  • Frachtschiff Mit Containern: Agrarfoto.com
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