Einsamkeit, plötzliche Steuererhöhungen und fehlende Technik – die kosovarischen Landwirte kämpfen zwar nicht mehr mit der Kriegsvergangenheit. Die haben sie eigentlich statt und möchten nach vorne schauen. Dennoch sind sie mit ungewöhnlichen Herausforderungen konfrontiert, die auch auf den Kosovokrieg im Jahr 1999 zurückzuführen sind. So erzählen uns – einer Reisegruppe aus Journalisten und Mitarbeitern von Care Österreich – einige Landwirte vor Ort von ihren Betrieben, samt Chancen und Problemen.

Miodrag Stojanovic kultiviert seit Kurzem auf 0,26 ha Himbeeren. Die Bewässerung, die Zäune und die Setzlinge sowie die nötige Schulung hat er vom RESI-Projekt bzw. von Care Österreich erhalten. Bislang hat Miodrag keinen Schädlingsdruck, er erwartet einen Ertrag von etwa zwei Tonnen. Sorgen bereitet ihm eher das Wetter. Die Wetterextremereignisse nehmen auch hier zu. Ein Hagelunwetter würde seine ganze Ernte zerstören, ein Hagelnetz kann er sich nicht leisten. Suzana und Goran Ivanovic sind dagegen mit plötzlichen Steuererhöhungen konfrontiert. Die beiden besitzen eine Getreidemühle. Weil sie durch die Hilfe des RESI-Projekts der Österreichsichen Entwicklungszusammenarbeit und Care Österreich die Mühle restaurieren und so die Produktion ausweiten konnten, bestellten sie eine Verpackungsmaschine in Serbien. Schließlich sollte auch der Vertrieb ordentlich funktionieren.

Eine politische Entscheidung brachte das Geschäft der beiden aber ins Wanken: Kosovo hebt seit November 2018 die doppelten Importzölle auf Waren aus Serbien und Bosnien-Herzegowina ein. Grund dafür sind die ins Stocken geratenen Gespräche mit Serbien, da beide Staaten einander mangelnde Umsetzung der Vereinbarungen vorwarfen. So hatte Serbien u. a. die Aufnahme Kosovos in Interpol blockiert. Auch die Visaliberalisierung wurde Kosovo noch nicht gewährt.

Schnell merkt man als Besucher: Die Kriegsvergangenheit holt einen ein. Zwar verzeichnet die kosovarische Wirtschaft hohe Wachstumsraten (4,1 % BIP-Wachstum im Jahr 2017), innerhalb Europas zählt Kosovo dennoch zu den ärmsten Ländern. Österreich unterstützt deshalb seit jeher die Entwicklungsarbeit in dem Land am Balkan.

Richtung EU

Doch es ist nicht die große Armut im Land – knapp 30 % der Kosovaren leben von weniger als 1,75 Euro pro Tag – die etwa Rinderbauer Muhamet Sjarina als Problem sieht. Für ihn ist es die Einsamkeit. Muhamet hält 21 Rinder. Zäune braucht er dafür nicht. „Die Kühe können herumlaufen, wo sie wollen“, sagt Muhamet. So streifen die neun Milchkühe und fünf Kalbinnen über Hänge, Wiesen, Straßen und Hausgärten. Niemand beschwert sich, denn die bergige Gegend ist seit Kriegsende verlassen. Nur einmal in der Woche sieht Muhmet seine Familie, die im Tal lebt. Ähnlich wie viele andere europäische Länder, erlebt auch Kosovo eine große Landflucht. Die Jungen wollen in die Hauptstadt Pristina. Am Land wird es einsamer. Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit hat deshalb auch das klare Ziel, alle kleinen Farmer darin zu unterstützen, ihre Betriebe zu professionalisieren, Qualität und Quantität zu verbessern, um so Arbeitsplätze und Einkommen in den ländlichen Regionen zu etablieren. Ähnlich, wie es die Ländliche Entwicklung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik in der EU versucht. Produktionsstandards und Marktanforderungen auf EU-Niveau zu erfüllen, ist auch das langfristige Ziel der kosovarischen Bauern. Sie wollen in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit blicken.

 

Agrardaten

• Fläche gesamt: 10.887 km2, davon 54 % landw. genutzt;
•Bevölkerung: 1,8 Mio.; 22 % arbeiten in der Landwirtschaft;
• Betriebsgröße: 3,2 ha;
• Betriebe: 130.436 (Stand 2014);
• Getreide: 350.000 t/Jahr, hauptsächlich Weizen, Mais, Hafer und Gerste), 76 % Selbstversorgungsgrad,.
• Gemüse: 14.557 ha, 90 % Selbstversorgungsgrad;
• Rinder: 329.213 Stück, 73,4 % Selbstversorgungsgrad
• Weitere wichtige Sektoren: Obstbau, Weinbau und Kartoffelproduktion
Quelle: Landwirtschaftszählung der Republik Kosovo, KAS 2015

Entwicklungszusammenarbeit

• Kleine bäuerliche Betriebe wettbewerbsfähiger machen; Frauen-Kooperativen unterstützen und die Wertschöpfungskette verbessern. So lauten die Ziele des RESI-Projekts der Östereichschen Entwicklungszusammenarbeit. Die Hilfsorganisation Care Österreich schließt an das RESI-Projekt an und arbeitet daran, Beratungsstellen für landwirtschaftliche Betriebe aufzubauen.
• Von 1998 bis 1999 herrschte in Kosovo Krieg. Bis dahin Teil Serbiens, erklärte Kosovo 2008 seine Unabhängigkeit. Bis heute haben nicht alle Länder Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt, darunter auch die fünf EU-Staaten Griechenland, Rumänien, Slowakei, Spanien und Zypern.
• Österreich leistet seit Kriegsende Entwicklungszusammenarbeit in Kosovo. Auch 600 österreichische Soldaten sind aktuell noch im Kosovo stationiert. Wegen Geldmangels beim Österreichischen Bundesheer überlegt Verteidigungsminister Thomas Starlinger allerdings, diese abzuziehen.

Quelle: BZ/Zitz
Suzana und Goran Ivanovic besitzen eine Mühle aus dem
19. Jahrhundert. Die Mühle wurde damals für Dorfbewohner gebaut, um Mais, Weizen und Gerste mahlen zu können. Die Mühle ist bis heute in Betrieb.
Um ihre optimale Produktionsfähigkeit zu erreichen, musste sie restauriert werden. Dadurch konnte die Mahlkapazität von 5.000 auf 8.000 kg pro Jahr gesteigert werden. Dadurch wird nicht mehr nur der Bedarf der Dorfbewohner gedeckt. in der Nähe, sondern auch darüber hinaus.
Durch das RESI- und Care-Projekt konnte die Mühlenrestaurierung und ein Ausstellungs- bzw. Verkaufsraum finanziert werden. Suzana konnte so die Mehlproduktion und gleichzeitig den Vertrieb ausweiten.
Quelle: BZ/Zitz
Miodrag Stojanovic und seine Familie haben bereits vor der Unterstützung durch RESI und Care Himbeeren angebaut. Durch die Subvention konnte er allerdings die Anbaufläche vergrößern, in ein Bewässerungssystem, Zäune und Setzlinge investieren. Bislang hatte Miodrag keinen Schädlingsbefall, auch Vögel stellen noch kein Problem dar. Er arbeitet ohne chemischen Pflanzenschutz, eine Bio-Lizenz hat er aber nicht.
In diesem Jahr erwartet er eine Ernte von etwa zwei Tonnen. Bei einem Kilo-Preis etwa 0,80 cent würde das ein Einkommen von 1.600 Euro bedeuten. Seine Investitionen sollen sich in zwei Jahren rentieren (20 % eines Finanzierungszuschusses durch das RESI-Projekt müssen die Landwirte selbst aufstellen). Zusätzlich baut Miodrag Mais und Getreide auf 2 ha an.
Quelle: BZ/Zitz
Der Stall von Muhamet Sjarina befand sich in sehr schlechtem Zustand und erfüllte keinerlei moderne Standards. Allerdings merkte er am Markt eine immer höhere Nachfrage nach seinen selbst erzeugten Käseprodukten. Muhamet entschloss sich, einen neuen Stall mit verbesserten Hygiene-Bedingungen zu bauen. In dem durch das RESI-Projekt finanzierten neu gebauten Stall sind nun neun Milchkühe, fünf Kalbinnen und sieben Kälber untergebracht, die Kühe in Anbindehaltung, die Kälber in einer Box. Tagsüber weiden die Kühe in der Umgebung. Die Kühe werden künstlich befruchtet. Die Stierkälber verkauft er mit sechs Monaten. Die Milchleistung liegt bei etwa 5.400 kg pro Kuh und Jahr. Das Heu und die Maispflanzensilage für die Fütterung produziert Muhamet selbst.

Eva Zitz

Die BauernZeitung hat auf Einladung von CARE Österreich an der Reise teilgenommen.

 

 

 

 

- Bildquellen -

  • IMG 4480: BZ/Zitz
  • 07 08 Um 11.40.41: BZ/Zitz
  • IMG 4535: BZ/Zitz
  • IMG 4522: BZ/Zitz
- Werbung -
Vorheriger ArtikelAgrar-Terminmarkt 8. Juli 2019
Nächster ArtikelPöttinger: Grünes Licht für neues Monatagewerk