Landesgenossenschaftstag im Zeichen des Geschäftsführer-Wechsels

15 Jahre war Rudolf Binder Geschäftsführer des Raiffeisenverbandes OÖ. Für seine Erfolge wurde er vom Raiffeisenverband und vom Land ausgezeichnet. Über die Erfolgfaktoren von "digitalen Genossenschaften" sprach Theresia Theurl.

Rudolf Binder (l.) verabschiedete sich nach 15 Jahren als Verbandsdirektor von den Funktionären.

“Ich nehme meinen Hut. Auf Wiedersehen“. Mit diesen Worten verabschiedete sich Rudolf Binder beim Landesgenossenschaftstag vergangenen Dienstag von den zahlreich erschienenen Funktionären.  Mit 1. August 2017 wird Binder wie berichtet  in Pension gehen und seine Agenden an den 35-jährigen Norman Eichinger übergeben. Neben einer Reihe an Ehrengästen waren heuer auch Diözesanbischof Manfred Scheuer sowie der designierte Landeshauptmann Thomas Stelzer anwesend.

Quelle: Raiffeisenverband OÖ/Michael Strobl
Zahlreiche Funktionäre fanden sich zum Landesgenossenschaftstag im Palais Kaufmännischer Verein in Linz ein.

Fusionierungen und Neugründungen

Rudolf Binder blickt auf 36 Jahre im Raiffeisenverband OÖ. – 15 Jahre davon als Geschäftsführer – zurück. Gravierende Umwälzungen vom Ende der Marktordnung und Eintritt in die europäische Union bis zur beginnenden Digitalisierung prägten seine Zeit.
Die großen Strukturveränderungen dieser Jahre zeigen sich in deutlichen Zahlen. So fusionierten die Raiffeisenbanken von 270 auf 85, die Lagerhausgenossenschaften von 28 auf 13 und die Molkereien von 30 auf drei. Stolz ist Binder darauf, dass trotz aller Änderungen die Genossenschaft als Unternehmensform erhalten werden konnte. Gleichzeitig seien in dieser Zeit aber auch viele Neugründungen, beispielsweise 90 Biomassegenossenschaften, entstanden.
Schließlich habe sich der Raiffeisenverband in seiner Zeit als Verbandsdirektor von einer Revisionsbehörde zu einem modernen Dienstleistungszentrum entwickelt. Revisoren wurden „vom Einzelkämpfer zum Teamplayer“, so Binder. Prüfungsteams und eine hohe Prüfungseffizienz zeichne die Revisionsabteilung heute aus. Getrennt davon habe man einen Servicebereich zur Unterstützung der Mitgliedsunternehmen aufgebaut.

Quelle: Raiffeisenverband OÖ / Michael Strobl
Rudolf Binder (2.v.r.) wurde ausgezeichnet. Im Bild mit Gattin Maresa sowie Max Hiegelsberger, Thomas Stelzer und Franz Reisecker (v.l.).

Erfolgsfaktoren „Regionalität und Miteinander“

Binders Erfolge wurden nicht nur von den Ehrengästen in ihren Reden gewürdigt, sondern manifestierten sich auch in zwei hohen Auszeichnungen. Vom Raiffeisenverband selbst wurde Binder die „Raiffeisenplakette in Gold“ überreicht. Genossenschaftsanwalt Franz Reisecker: „Rudolf Binder hat den Raiffeisenverband mit seinem Engagenement zu einem Maßstab für ganz Österreich gemacht“. Thomas Stelzer verlieh dem Verbandsdirektor das „silberne Ehrenzeichen des Landes Oberösterreich“, mit dem er sich für die „große Verantwortung, die mit dieser Funktion verbunden ist“, bedankte.
In den Genossenschaften sieht Stelzer zwei wesentliche Erfolgsfaktoren vereint. Die „Regionalität als Gegenstück zur Internationalisierung“ und das „Miteinander als Grundgedanken einer gelebten Demokratie“.

Quelle: Raiffeisenverband OÖ / Michael Strobl
Scheur: “Brauchen eine solidarische Ökonomie”

Scheuer: „Es braucht die Gemeinwohlökonomie“

Die Nähe der Genossenschaften zur  katholischen Soziallehre hob Bischof Manfred Scheuer in seinen Grußworten hervor und maß der Gemeinwohl-Ökonomie, die das Wohl von Mensch und Umwelt als oberstes Ziel des Wirtschaftens hat, besonderen Stellenwert bei: „Die Pioniere des Genossenschaftswesen haben in der Selbsthilfe und der Selbstverantwortung die Antwort auf das Versagen des Staates und des Marktes gegeben. Die Gier des Einzelnen wurde zugunsten der Gemeinschaft eingedämmt.“
Die vielen Genossenschaftsgründungen hätten erheblich dazu beigetragen, „dass unsere Gesellschaft nachhaltiger, demokratischer und sozial gerechter wird.“ Gerade die Neugründungen im Bereich der „Erneuerbaren Energien“ würden die „solidarische Ökonomie“ erkennen lassen. Die landwirtschaftlichen Genossenschaften wiederum würden den regionalen Bezug stärken und somit einen Beitrag für einen stabilen ländlichen Raum leisten. Für das damit verbundende „gesellschaftliche Engagement“ dankte Scheuer den Genossenschaftsfunktionären.

Gute Entwicklung der Genossenschaften 2016

Im Zuge des Landesgenossenschaftstages wurde auch Bilanz über das Geschäftsjahr 2016 gezogen.
• Für die 85 oberösterreichischen Raiffeisenbanken sei es ein „sehr gutes Jahr“ gewesen. Binder sprach sogar von einem „Rekordergebnis“, das trotz schwieriger Konjunkturlage und niedrigem Zinsniveau erzielt wurde. Die Steigerung der Kundeneinlagen um 7,1 Prozent auf 17 Milliarden Euro zeige das hohe Kundenvertrauen. Gleichzeitig habe die Finanzierungsleitung um 3,2 Prozent auf 14,3 Milliarden Euro zugelegt. Die gute Ertragslage und das hohe Eigenkapital stehe für die Sicherheit und Gestaltungskraft der Raiffeisenbanken, so Binder.
• Mit dem verhaltenen Kauf- und Investitionsverhalten der Landwirtschaft hätten die Lagerhausgenossenschaften zu kämpfen. Hier seien in einigen Bereichen noch Veränderungen notwendig, die aber die Lagerhäuser selbst treffen müssten. Die Ertragsgestaltung sei sehr unterschiedlich. Insgesamt erwirtschafteten die 13 Lagerhäuser mit 2000 Mitarbeitern einen Umsatz von 700 Millionnen Euro (minus vier Prozent). Die Eigenkapitalausstattung sei mit 36 Prozent „solide“.
• Die Entwicklung der Molkereigenossenschaften sei trotz schwieriger Rahmenbedingungen „zufriedenstellend“. Starke Marken, moderne Werke und eine hohe Eigenkapitalquote von über 50 Prozent zeichne die Genossenschaften aus. Der Umsatz reduzierte sich 2016 um drei Prozent auf auf 956 Millionen Euro.

Quelle: Raiffeisenverband OÖ / Michael Strobl
Theresia Theurl: „Digitalisierung ist Chefsache.“

Digitalisierung: „Noch mehr vom Kunden aus denken“

„Alles, was sich digitalisieren lässt, wird digitalisiert“, sagt Theresia Theurl von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.  Anlässlich des Genossenschaftstages war sie als Gastreferentin geladen. Mit ihrem Statement erteilte sie all jenen eine Absage, die auf die Digitalisierung mit dem bloßen Installieren einer Unternehmens-App antworten. „Jedes Unternehmen braucht eine digitale Strategie“, so Theurl. Und das sei nicht mit dem Einstellen eines zusätzlichen IT-Mitarbeiters erledigt, sondern Digitalisierung sei „Chefsache“.

„Jedes Unternehmen braucht eine digitale Strategie“

Es müsse noch viel mehr aus Sicht des Kunden“ gedacht werden. „Kunden wollen keine Produkte mehr, sondern Lösungen“, so Theurl. Auf dem Weg zur Digitalisierung sieht sie vier Erfolgsfaktoren: Eine „Ominchannel“-Strategie, die den Kunden alle Vertriebskanäle von den Filialen bis zum i-Phone bereit stellt. Eine verstärkte Einbindung von Kunden und Mitarbeitern in die Entwicklung neuer Produkte sowie eine noch intensivere Zusammenarbeit mit anderen Genossenschaften. Und schließlich die Erkenntnis, dass die „digitale Strategie eine nicht endende Aufgabe ist“.

 

 

- Bildquellen -

  • Landesgenossenschaftstag: Raiffeisenverband OÖ/Michael Strobl
  • Ehrengäste: Raiffeisenverband OÖ / Michael Strobl
  • Bischof Manfred Scheuer: Raiffeisenverband OÖ / Michael Strobl
  • Theresia Theurl: Raiffeisenverband OÖ / Michael Strobl
  • Podium: Raiffeisenverband OÖ / Michael Strobl
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AUTORAnni Pichler
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