Mit dem “Letzten Willen” nicht bis zuletzt zuwarten

Mit 1. Jänner 2017 tritt mit der Erbrechtsnovelle eines der größten gesetzgeberischen Vorhaben der jüngeren Vergangenheit in Kraft. Von den 1500 Paragrafen des Gesetzes wurden 350 erneuert. Hier die wichtigsten Neuerungen im Überblick.

Der beste Übergabevertrag ist der, der nach der Hofübergabe nie wieder benötigt wird. ©Agrarfoto.com
Der beste Übergabevertrag ist der, der nach der Hofübergabe nie wieder benötigt wird. ©Agrarfoto.com
Das neue Erben in Österreich – dieser Satz ist nicht übertrieben, denn die Erbrechtsnovelle 2015, die nun mit 1. Jänner 2017 volle Wirksamkeit erlangt, ist eine der tiefgreifendsten Gesetzesänderungen in jüngerer Vergangenheit. Das seit seinem Inkrafttreten im Jahr 1812 im Kern unverändert gebliebene Erbrecht wurde grundlegend erneuert. Das Erbrecht wurde im Sinne der Familien und der Familienbetriebe überarbeitet, zugleich sollen Pflegeleistungen künftig durch ein Pflegevermächtnis bereits im Verlassenschaftsverfahren berücksichtigt werden.
Die österreichischen Notare haben in einer Aussendung die wichtigsten Neuerungen für Erben und Erblasser wie folgt zusammengefasst:
Lebensgefährten – Lebensgefährten, die bisher leer ausgehen, wenn es kein Testament gibt, bekommen ein außerordentliches Erbrecht. Nicht mehr der Staat, sondern sie erhalten das verbleibende Vermögen, wenn es keine gesetzlichen Erben (Ehegatten, Kinder, Eltern, Geschwister, Großeltern) gibt. Zur Stärkung von Ehegatten und eingetragenen Partnern wird außerdem der Pflichtteil für Eltern und Großeltern gestrichen. Kinderlose Paare sollten ein Testament erstellen, um ihre Rechte abzusichern.
Testamentsform – ein fremdhändiges bzw. computergeschriebenes Testament muss wie bisher von drei Zeugen unterfertigt werden. Diese müssen jedoch gleichzeitig anwesend sein. Die Zeugen müssen künftig ihren Vor- und Familiennamen und ihr Geburtsdatum angeben, damit sie besser identifizierbar sind. Der Erblasser muss neben der Unterschrift auch einen eigenhändig geschriebenen Zusatz anfügen, beispielsweise einen Satz wie “Das ist mein Letzter Wille”. Damit sollen Testamente fälschungssicherer werden.
Pflegende Angehörige – nahe Angehörige, die den Verstorbenen in den drei Jahren vor dem Tod zumindest durchschnittlich 20 Stunden im Monat betreut haben, erhalten ein so genanntes gesetzliches “Vermächtnis”. Das Pflegevermächtnis geht allem anderen vor, auch den Ansprüchen der Pflichtteilsberechtigten. Der erbrechtliche Anspruch muss schon im Verlassenschaftsverfahren berücksichtigt werden. Nur wenn dort keine Einigung gelingt, muss der Pflegende die Abgeltung wie bisher einklagen. Ein Richtwert für die Berechnung des Anspruchs sind etwa zehn Euro/Stunde.
Der Kreis der nahen Angehörigen umfasst neben gesetzlichen Erben, ihren nahen Angehörigen (z. B. Schwiegertochter eines Verstorbenen) und Lebensgefährten auch die Kinder des Lebensgefährten.
Reduzierter Pflichtteil – mit der Novelle gibt es die Möglichkeit, den Pflichtteil auf die Hälfte zu reduzieren. Dafür muss 20 Jahre kein familiärer Kontakt bestanden haben. Bisher konnte der Erblasser die Halbierung nur verfügen, wenn gar kein Kontakt bestand.
Betriebsübergaben – in der Novelle wurde die langjährige Forderung der Österreichischen Notariatskammer umgesetzt, die Auszahlung des Pflichtteils an weitere Pflichtteilsberechtigte auf bis zu fünf Jahre zu stunden. Wenn durch die sofortige Auszahlung ein Familienbetrieb in seiner Existenz gefährdet oder ein Erbe seine Wohnung verlieren würde, können Pflichtteile in Raten gezahlt bzw. bis zu fünf Jahre (mit Verlängerung durch das Gericht bis zu zehn Jahre) gestundet werden – allerdings unter Anrechnung von vier Prozent Zinsen. Diese Regelung soll trotz Auszahlung des Pflichtteils wesentlich zum Erhalt von Unternehmen oder von Immobilien im Familienbesitz beitragen.
Zu beachten ist jedoch weiterhin, dass auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes oder des pflichtteilsberechtigten Ehegatten bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten gemacht hat, zu berücksichtigen sind. Es handelt sich um den sogenannten Schenkungspflichtteil. Auch der geschenkte Teil einer gemischten Schenkung ist anzurechnen. Eine Hofübergabe beinhaltet im Regelfall eine gemischte Schenkung. Der Pflichtteils- berechtigte kann den Erben auf Auszahlung oder Ergänzung des Pflichtteils klagen. Dieser Anspruch verjährt innerhalb von drei Jahren ab dem Tod des Erblassers.

Notariell beglaubigtes Testament

Durch die Erbrechtsreform in Österreich und die EU-Erbrechtsverordnung, die seit August 2015 in Kraft ist, kommen viele neue Änderungen auf Erben und Erblasser zu. Mit dem Letzten Willen sollte man daher nicht bis zum letzten Moment warten. Gemeinsam mit einem Rechtsexperten wie dem Notar kann ein Testament erstellt werden, das genau dem Willen des Erblassers entspricht. Eine erste Rechtsauskunft durch einen Notar ist kostenlos. Auf der Internetseite www.notar.at sind alle 500 in Österreich tätigen Notare angeführt.

Bauern machen selten ein Testament

Für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft sind erbrechtlich einige wichtige Besonderheiten von Bedeutung (Quelle: Judith Mack, Bäuerliche Erbgewohnheiten in Oberösterreich, Wien, 2009):
• Die Generationennachfolge auf bäuerlichen Betrieben wird in der weitaus überwiegenden Zahl durch Übergabeverträge geregelt (vorweggenommene Erbfolge). Das gesetzliche Erbrecht mit Übertragungen aufgrund letztwilliger Verfügungen, Schenkungen und Kaufverträgen tritt demgegenüber in den Hintergrund.
• Auch das Anerbenrecht mit seinen von der allgemeinen Erbfolge abweichenden Regelungen ist demgegenüber eine Spezialität in Einzelfällen bzw. in bestimmten Regionen (Erbhöfe); im Gesamtzusammenhang der bäuerlichen Erbfolge hat das Anerbenrecht aber eine wichtige Funktion, weil es den Erhalt der Betriebe in den Vordergrund stellt.
• Ausgedinge und Wohnrecht sind wichtige Vertragsbestandteile; ebenso Veräußerungs- und Belastungsverbote. Während diese Bereiche in der Praxis oft sehr detailgenau geregelt werden, fehlt es in vielen Verträgen an Vereinbarungen zu Regelungen für den Scheidungsfall oder zur Abfindung weichender Geschwister.
• Ein Bereich des Erbrechts, der auch in Übergabeverträgen zu berücksichtigen ist, ist das Pflichtteilsrecht. Es ist dringend zu empfehlen, bereits im Übergabevertrag eine Pflichtteilsregelung mit den weichenden Geschwistern zu treffen und späteren Unstimmigkeiten durch einen notariell ausgefertigten Pflichtteilsverzicht vorzubeugen.
• Notarielle Beratung ist auch in steuerlichen Fragen zu empfehlen.

Hans Maad

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