Aufbruch, Veränderung und neue Wege beschreiten – das waren die zentralen Themen beim 38. ÖVP-Bundesparteitag vergangenen Samstag in Linz. So fanden nicht nur die Wahl des Parteiobmanns und seiner Stellvertreter statt, sondern auch der Beschluss der veränderten Parteistatuten.
98,7 Prozent der rund 500 stimmberechtigten Delegierten sprachen Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz ihr Vertrauen aus und wählten ihn damit offiziell zum neuen Bundesparteiobmann. Er folgt in dieser Funktion Reinhold Mitterlehner nach, der im Mai dieses Jahres überraschend zurückgetreten war. Auch die vier Parteiobmann-Stellvertreter wurden von den Delegierten offiziell bestätigt: Barbara Eibinger-Miedl, Bettina Glatz-Kremsner, Veronika Marte und Thomas Stelzer. Der neue Finanzreferent der ÖVP ist Andreas Ottenschläger. Kurz und sein Team nahmen den Vertrauensvorschuss an. Kurz:  „Ich werde behutsam damit umgehen und freue mich darauf, was die kommenden Wochen und Monate bringen werden“, betonte der frisch gebackene Parteichef nach der Wahl.

Die Dinge nicht mehr länger schönreden

Die kommenden Wochen werden ganz auf den Wahlkampf ausgerichtet sein. Was Kurz inhaltlich vorhat, beschrieb er in seiner Parteitagsrede. „Wenn wir uns mit anderen Ländern vergleichen, dann habe ich das Gefühl, dass wir uns in Österreich viele Dinge schönreden“, erklärte Kurz. Oft sei vom besten Sozialsystem und einem super Wirtschaftsstandort die Rede, die Veränderungsbereitschaft aber nicht immer gegeben. „Wir sollten nicht zufrieden damit sein, wie wir heute dastehen, sondern gemeinsam daran arbeiten, dass wir besser werden“, so Kurz. Er will vor allem Änderungen beim Sozialsystem.

So würde zu viel darüber gesprochen, was ins Sozialsystem fließt, aber nicht, was bei den Menschen wirklich ankommt. Als Beispiel nannte Kurz, dass ein Krebskranker in zwei verschiedene Spitäler zur Untersuchung muss, weil das eine ein Blutbild bezahlt, das andere die Chemo durchführt. Oder die Mutter eines behinderten Kindes, die für die Förderung eines behindertengerechten Autositzes zu drei verschiedenen Förderstellen muss. Man habe Systeme geschaffen, die sehr stark damit beschäftigt seien, sich selbst zu erhalten, so Kurz, und auch so viele verschiedene Fördertöpfe, dass man den Überblick verliere. „Unser Ziel sollte sein, dass die Menschen in schwierigen Situationen nicht von der Bürokratie in eine noch schwierigere Lage gebracht werden“, so Kurz.

Pflegende Angehörige verstärkt unterstützen

Und der Staat solle auch jene Menschen unterstützen, die in den eigenen vier Wänden bei der Pflege von Angehörigen Großartiges leisten, betonte Kurz und sprach damit die Pflegeproblematik an. Rund 80 Prozent der Pflege werden in Österreich von Angehörigen übernommen. Diese sollten nicht als Bittsteller dargestellt werden, sondern einfach die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, forderte der Parteiobmann.
Ein Thema, „wo man ebenso schief angeschaut wird wie wenn man das Sozialsystem kritisiert“, sei laut Kurz die Migration. Auch hier gelte es, Wahrheiten anzusprechen. So appellierte Kurz ein weiteres Mal an seine Polit-Kollegen, die Mittelmeerroute zu schließen. „Alles andere ist weder christlich noch sozial“, so der Außenminister. Denn ohne Schließung würde ein System aufrechterhalten, dass zur Überforderung und letztlich zum Ertrinken der Flüchtlinge im Mittelmehr führt. Erst wenn man diese Wahrheiten ausspreche, könne man auch über das eigene Menschen- und Politikbild reden, erklärte Kurz.
Dabei verglich er das Zusammenleben in einem Staat mit dem in einer Familie. Wenn jeder seinen Beitrag leistet und alle zusammenstehen, dann kann ein Zusammenleben funktionieren. „Das ist meine Vision von Österreich“, hob der Parteichef hervor. Besonders bemerkbar mache sich das Gemeinschaftsgefühl am Land, wo sich der Zusammenhalt in den vielen Vereinen, ehrenamtlichen Tätigkeiten, der Kirche oder am Stammtisch zeige.

Steuern und Abgaben nehmen ein Stück Freiheit

Bedroht sieht Kurz allerdings ein Stück der Freiheit jedes einzelnen Österreichers durch die Dichte an Regeln und die hohen Steuern und Abgaben. Nur wenige Länder der Welt hätten einen ähnlich großen Unterschied zwischen den Brutto- und Nettolöhnen wie Österreich, weshalb Kurz die Steuer- und Abgabenquote auf 40 Prozent senken will. „Ein Installateur muss 13 Stunden arbeiten, um sich eine Arbeitsstunde von einem Mechaniker leisten zu können“, erzählte Kurz aus dem Arbeitsalltag der Österreicher.  Hier müsse der Staat wieder mehr Gestaltungsspielraum schaffen, indem die Steuern und Abgaben gesenkt werden.
Veränderung forderte Kurz auch innerhalb der Bundespolitik ein. Kurz: „Ich bin mir bewusst, dass wir bereits die Zielscheiben der anderen sind. Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass es richtig ist, sich nicht an einem schmutzigen Wahlkampf zu beteiligen.“ Vom Schlechtmachen der anderen Abstand zu nehmen, gehört zum Stil der neuen Volkspartei, den Kurz und ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger prägen wollen.
Damit Kurz all seine Vorstellungen von einem neuen Politikstil und neuen Wegen für Österreich umsetzen kann, wurden die Statuten der ÖVP geändert und beim Parteitag offiziell beschlossen. Diese sehen vor, dass der Parteiobmann die Erstellung der Bundeslisten sowie die Zusammenstellung seines Teams alleine vornimmt. Bei der Erstellung der Landesliste erhält er ein Mitspracherecht. Auch die inhaltliche Linie wird künftig vom Parteichef alleine vorgegeben. „Ich bin sehr dankbar, dass der Vorstand diese Veränderung unterstützt“, betonte Kurz und stellte indirekt den Kanzleranspruch: „Wenn wir uns verändern, können wir stärker werden. So stark, dass wir die Kraft haben, dieses Land zu verändern.“

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  • Parteitag2017: ÖVP
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