Bauernbund prangert ruinöse Marktrealität an

Nachdem aktuell mit Radatz, Spar und Rewe gleich drei Lebensmittel-Unternehmen mit "ruinösen und unliebsamen Marktrealitäten" aufgefallen sind, übt der Bauernbund nun scharfe Kritik und will gegen die Verdrängung der heimischen Produkte aus

Der Bauernbund will gegen weitere Verdrängungstendenzen heimischer Erzeugnisse aus den österreichischen Regalen kämpfen. ©agrarfoto.com
Der Bauernbund will gegen weitere Verdrängungstendenzen heimischer Erzeugnisse aus den österreichischen Regalen kämpfen. ©agrarfoto.com
Unsittlich und unmoralisch – so wird von Branchenvertretern die Aktion des Fleisch- und Wurstwarenunternehmens Radatz bezeichnet. Vergangene Woche wurde ein Schreiben öffentlich, demzufolge Radatz von seinen Lieferanten rückwirkend acht Prozent Rabatt verlangt. Aufgeteilt auf drei Prozent Expansionsrabatt, zwei Prozent Steigerungsbonus und drei Prozent “Treuerabatt”.
Gerade jetzt, “wo der Schweinemarkt am Boden liegt”, rückwirkend Rabatte zu verlangen, sei unsittlich und auch unüblich, betonte der Chef der Österreichischen Schweinebörse, Johann Schlederer. “Aber grundsätzlich ist der Lebensmittelhandel ein beinhartes Geschäft”, so Schlederer. Betroffen von diesen Zahlungsforderungen und dem weiteren Nach-unten-Drücken der Handelspannen, seien letztlich immer alle Schweinebauern, erklärte der Schweinebörsen-Chef. Denn Radatz ist kein kleiner Betrieb und beeinflusst den Sektor insgesamt, nicht nur die eigenen Lieferanten. Im Wesentlichen liefern Radatz und die dazugehörige Stastnik Gmbh an die Handelskette Rewe. Mit 182,9 Mio. Euro Jahresumsatz und mehr als 890 Mitarbeitern ein großer “Player” in der Fleischbranche.

Niemand will verlässlichen Partner verlieren

Und davon sind natürlich die Schlachtbetriebe und in weiterer Folge die Bauern abhängig. Radatz galt bislang als beliebter – weil verlässlicher und sicherer – Abnehmer, erklärte der Vorsitzende des Vieh- und Fleisch-Großhandels, Helmut Öller. Viele Betriebe hätten Angst davor, diesen Abnehmer und verlässlichen Partner zu verlieren, wenn sie auf dessen Forderung nicht eingingen. “Ich befürchte, dass schon viele die Forderung von Radatz unterschrieben haben”, so Öller. Radatz selbst gab zu diesem Thema keine offizielle Stellungnahme ab. Zu den ohnehin schon schlechten Preisen am Schweinemarkt kommt hinzu, dass derartige Aktionen eine Kettenreaktion auslösen könnten, warnte Öller, nach dem Motto: “Wenn es der eine durchbringt, versucht das der Nächste auch.” Das könnte die Situation für Bauern und Schlachtbetriebe weiter verschärfen. Öller fordert Radatz auf, dieses Vorgehen zu überdenken. Auch Schlederer betonte, dass Rewe selbst den Lieferanten verbieten müsste, rückwirkend Rabatte einzufordern. “Wenn das jemand einfordern kann, dann ist das Rewe”, so Schlederer.
In derselben Woche machte auch eine andere Lebensmitteleinzelhandelskette auf sich aufmerksam. Im Sortiment der Spar-Eigenmarke “S-Budget” fand sich eine Butter, hergestellt aus tschechischer und bayerischer Milch. Spar begründet dies damit, dass die gewünschte Milch für die spezielle Sommerbutter in Österreich nicht in der erforderlichen Menge erhältlich war. Für Bauernbund-Präsident Jakob Auer ist das “unfair gegenüber Konsumenten und Bauern.” Der Bauernbund befürchte nämlich seit Langem, dass österreichische Rohstoffe je nach Preislage einfach ausgetauscht werden. “Das ist ein Leichtes, weil der Konsument an die Eigenmarke gewöhnt ist und nicht näher auf die Herkunft schaut”, erklärte Auer. Zudem forderte Spar Mitte März die Molkereien auf, die Einkaufspreise ab 21. März zu senken. Begründet wird dies mit einem allgemein sinkenden Preis- und Kostenniveau, insbesondere bei den Bauernmilchpreisen.
Zu Beginn dieser Woche flatterte dann auch noch ein Penny Markt-Flugblatt mit deutscher Billigbutter der Penny-Eigenmarke (250 Gramm für 79 Cent) in die österreichischen Haushalte. Penny gehört zur Rewe-Gruppe. Der Bauernbund verfolgt nun gegen diese “unliebsamen und ruinösen Marktrealitäten” eine Doppelstrategie. Auf der ersten Ebene sollen die Anstrengungen für eine neue Milch-Mengensteuerung auf EU-Ebene verstärkt werden. Der entsprechende Vorschlag von LK Österreich-Präsident Hermann Schultes wurde vergangene Woche im EU-Agrarministerrat von Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter eingebracht und durchgesetzt.
Auf einer zweiten Ebene ruft der Bauernbund zu Protesten vor Ort, etwa bei Filialleitern von Supermärkten, und medialen Protesten auf. Damit will sich der Bauernbund aufs Schärfste gegen weitere Verdrängungstendenzen heimischer Erzeugnisse aus den österreichischen Regalen verwehren. Eine Verdrängung, die einzig durch den hochkompetitiven Preisdruck zustande komme. Faktisch würden gentechnikfrei erzeugte Milch- und Molkereiprodukte durch ausländische, billiger produzierte Milch Produkt für Produkt ersetzt. Im Fleischbereich werde ohnehin eine Sonderaktion durch die nächste abgelöst. Laut aktuellen RollAMA-Daten beträgt der Aktionsanteil beim Fleischeinkauf im Supermarkt bereits 35 Prozent.

Auer: Marktanteile könnten verloren gehen

“In diesem Zusammenhang kritisieren wir vor allem die Nicht-Deklaration, ja eigentlich den Schwindel, rund um die Herkunft bei den Eigenmarken-Produkten des Handels. Denn dadurch gehen unseren Milch- und Viehbauern nachhaltig Marktanteile verloren, die nur mit größten Anstrengungen zurückgewonnen werden können”, betonten Bauernbund-Präsident Auer und Bauernbund-Direktor Johannes Abentung. Wer beim Lebensmitteleinkauf sichergehen möchte, solle zu Produkten mit dem AMA-Gütesiegel greifen, rät der Bauernbund.

Was gegen die Preiskrise getan wird

• Milchmarkt: EU-Agrarkommissar Phil Hogan genehmigte vergangene Woche die freiwillige Mengensteuerung durch die Mitgliedsstaaten.
• Schweinemarkt: Eine erneute Öffnung der Privaten Lagerhaltung ist vorgesehen.
• Für den gesamten Fleischmarkt soll eine Beobachtungsstelle eingerichtet werden, wie sie es für den Milchmarkt bereits gibt. • Der Österreichische Bauernbund ruft zu Beschwerden direkt vor Ort (bspw. bei Filialleitern) und medialen Protesten gegen die Verdrängungstendenzen heimischer Produkte auf.

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