Ein Paar und doch nicht allein

Gut leben und arbeiten am Hof – das ist nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht von Bedeutung, sondern vor allem aus menschlicher. Die Nähe zwischen den Generationen kann eine Bereicherung sein, birgt aber auch Konfliktpotenzial.

Egal ob Sonnenschein oder Regenwetter: Wer als Paar am Bauernhof nicht in die gleiche Richtung schaut, kann erst recht keine Generationenkonflikte lösen.

Die Oma spielt mit den Enkelkindern und zeigt ihnen, wie man ein Kränzchen aus Gänseblumen flicht. Die Mutter kann in aller Ruhe die letzten Marillen verarbeiten und muss dabei nicht ständig auf-passen, dass kein Kind dem kochend heißen Marmeladentopf zu nahe kommt. Vater und Großvater reparieren gemeinsam den Weidezaun und reden über Gott und die Welt. Und die Sonne scheint vom blauen Himmel herab. Das gibt es nicht? Doch, strahlend schönes Sommerwetter gibt es. Aber idyllisches, konfliktfreies Zu-sammenleben von Generationen ist viel öfter Wunsch denn Realität. Dabei läge ein friedliches und wohlwollendes Miteinander ganz in der Hand der Beteiligten – anders als das Wetter.

Arbeit und Generationen gibt es am Hof zu beackern

Nein, es ist kein Bauernhof-Thema. Aber es sind vermehrt Bauernhöfe, wo mehrere Generationen dauerhaft zusammenleben und sich nicht nur beim Wohnen, sondern auch beim Arbeiten recht nahe kommen – und das täglich. „Das Thema Gemeinsame Arbeit und das Generationenthema sind die zwei wichtigsten Bereiche, die Paare auf einem Bauernhof zu regeln haben“, sagt Susanne Fischer. Sie ist Ehe- und Familienberaterin und als solche vor allem für bäuerliche Familien tätig. Auch am bäuerlichen Sorgentelefon – einer anonymen ersten Anlaufstelle bei Problemen – nimmt sie sich Zeit für offene Gespräche und Antworten.

„In großen Städten wird das Generationenmodell wiederbelebt.“

Dabei habe das Zusammenleben von Jung und Alt viel Zukunftspotenzial: „In großen Städten wird das Generationenmodell wiederbelebt“, sagt Fischer. „Dem Menschen als sozialem Wesen wäre so ein Lebensmodell überaus dienlich. Es wäre für unser soziales Verhalten und unsere persönliche Entwicklung eine sehr gute Schule“, sagt Susanne Fischer. Auf dem Bauernhof, wo das Zusammenleben von Generationen seit jeher Tradition hat, bringt es neben allem Positiven auch jede Menge Konfliktpotenzial. Beruf und Privatleben finden an ein und demselben Ort statt, die Arbeit ist immer präsent. „Wie bei allen gemeinsamen Bereichen ist es wichtig, Spielregeln zu vereinbaren: Wer ist wofür zuständig, wer hat die Chef-position und was wird von den anderen erwartet. Man kann sich viele Konflikte ersparen, wenn man die The-men rechtzeitig anspricht“, empfiehlt die Beraterin.

Quelle: Fotolia - halfpointKonflikte seien prinzipiell nichts Schlechtes. „Sie entstehen meist nur aus unterschiedlichen Werthaltungen“, so Fischer. „Schlecht ist nur, wenn man sie dahinschwelgen lässt und nicht ausredet. Dafür braucht es halt eine Kultur“, so die Expertin. Wird das beachtet, profitie­ren alle davon. „Wir haben von Beginn an gespürt, dass man alles gleich ausreden muss, damit nichts zu brodeln beginnt. Das war nicht nur uns, sondern zum Glück auch meinen Schwiegereltern sehr wichtig“, sagt eine 38-jährige Bäuerin aus dem
Innviertel, die mit kleinen Kindern auf den Hof gekommen ist. „Mir war wichtig, in der Erziehung die Oberhand zu haben. Meine Schwiegereltern haben das total akzeptiert und verstanden, dass das meine Sache ist. Trotzdem waren sie immer zur Stelle, wenn ich sie gebraucht habe. Ich habe mir auch viel Zeit lassen dürfen, bis ich in die Arbeit am Hof eingestiegen bin, das schätze ich sehr“, so die dreifache Mutter. Derzeit werde viel über die anstehende Hofübernahme geredet. „Auch bei diesem Thema vermitteln uns meine Schwiegereltern ihr Vertrauen darauf, dass wir alles gut machen werden. Sie legen uns keine Steine in den Weg, wenn wir am Betrieb etwas ändern möchten“, ist die Bäuerin glücklich.

Das haben wir immer schon so gemacht

Neue Personen am Hof bringen auch neue Ideen und Vorstellungen mit. Nicht immer kann die abtretende Generation so gut mit Veränderungen umgehen, wie im Fall der Inn­viertlerin. „Meiner Schwiegermama gefällt der frische Wind, sie freut sich, wenn ich etwas anders mache. Daran wächst man, mir hat das viel Selbstvertrauen gegeben“, erzählt die 38-Jährige. Natürlich sei nicht alles eitel Sonnenschein. Aber alles, was stört, werde gleich angesprochen – „aber ruhig und sachlich, auf annehmbare Art und Weise.“
Kooperieren statt konkurrieren, so sollte generell die Devise lauten. Sich immer nur beweisen zu müssen koste viel Energie und bringe gar nichts. „Mir hat ein Paar einmal gesagt ‚Wir haben zwei Küchen, aber wir machen kein Wettkochen.‘ Das trifft es gut“, sagt Susanne Fischer. Dabei sind selbst die zwei Küchen keine Selbstverständlichkeit. „Meine Schwiegereltern wollten mir anfangs auch keine eigene Küche und keine eigene Waschmaschine zugestehen. Dafür habe ich hart kämpfen müssen“, erzählt eine heute 42-jährige Frau aus dem Hausruckviertel.

“Wir haben zwei Küchen, aber wir machen kein Wettkochen.”

Wie eine Zeitreise in die Vergangenheit

Sie erinnert sich noch gut daran, als sie – schwanger vom künftigen Hof-erben – die ersten Nachmittage in ihrem künftigen Zuhause verbrachte. „Es war wie eine Zeitreise“, gesteht sie. Ohne bäuerliche Wurzeln aufgewachsen, empfand sie den Alltag auf dem Hof in abgeschiedener Lage wie einen Sprung in die Vergangen­heit. „Die Schwiegereltern waren so alt wie meine Großeltern. Ihre Werte waren ganz andere als die, mit denen ich aufgewachsen bin.“ Schnell bekam sie zu spüren, dass sie für zu „modern“ gehalten wurde. So wurde ihr etwa angekreidet, dass die Heirat erst nach dem Kinderkriegen stattfand und dass sie auf Einhal­tung der Privatsphäre bestand. Susanne Fischer warnt aber generell vor zu hohen Erwartun­gen. Heutzutage werde aus Liebe geheiratet, allerdings sei auch die Erwartungshaltung deutlich gestiegen. „Wenn ich viel verlange, muss ich aber auch selbst viel beitragen“, sagt Fischer.

Tipps: Für Privatsphäre und Spielregeln sorgen

  • Die Beziehung zum Partner/zur Partnerin ist das Wichtigste. Darauf achten, dass die Energie von der Paarebene nicht abgeleitet und den Hof, die Arbeit oder einen Generationenkonflikt zum bestimmenden Thema macht.
  • Auf eine gut geschützte Privatsphäre achten, diese brauchen junge und alte Paare.
  • Sich Spielregeln für alle gemeinsamen Bereiche machen.
Quelle: Fotolia - auremar
Die Positionierung zum Partner ist wichtig.

Termine: Als Paar gut leben und arbeiten am Bauernhof

Tipps und Denkanstöße für ein gutes Zusammenleben kann man sich bei einem zweitägigen LFI-Seminar holen. Paare können sich mit verschiedenen Themen auseinandersetzen und gemeinsame Aufgaben reflektieren.
Zudem gibt es Paarseminare: Im Bezirk Perg/Saxen am 19./20. Jänner 2019 und in Schärding am 15./16. März 2019. Informationen unter Tel. 050/69 02-15 00.

- Bildquellen -

  • Senior Couple With Grandaughter Gardening In The Backyard Garden: Fotolia - halfpoint
  • Paar: Fotolia - auremar
  • Gummistiefel: Fotolia - bildschoenes
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