Hass-Postings im Web: „Verreck doch, du Bauer!“

Die Anonymität des Netzes führt bei manchem User dazu, ohne jeglichen Respekt und Anstand zu posten. Foto: Fotolia - Voyagerix

Bäuerliche Nutztierhalter sind immer häufiger mit Hass im Netz konfrontiert. Das hat eine Studie der Vetmeduni Wien zutage gebracht. Sind soziale Netzwerke mittlerweile ein untaugliches Kommunikationsmedium, um Landwirtschaft darzustellen?

Was Bäuerinnen und Bauern, die Schweine, Rinder oder Hühner halten und das mittels Homepage oder Facebook mit Wort und Bildern auch für interessierte Konsumenten darstellen, heutzutage so alles erleben, hat immer öfter mit wenig bis gar keinem Respekt zu tun. Beschimpfungen wie „Mörder“, „Tierquäler“, „Ausbeuter“, „Krimineller“ oder gar die Drohung „Sie sollten selber geschlachtet werden“ gehören mittlerweile zum Online-Alltag von Tierhaltern, berichten Landwirte, die im Zuge einer Uni-Studie des Messerli Forschungsinstituts gezielt zu dieser Problematik befragt wurden. Weitere typische Vorhaltungen und verbale Entgleisungen sind, dass die Landwirte etwa „die Kühe zwangsschwängern und vergewaltigen“ würden. Nicht selten gehe die Kritik auch ins Persönliche. So gab eine der befragten Landwirtinnen etwa an: „Mir wurde vorgeworfen, empathielos und eine schlechte Mutter zu sein, weil ich Kühe habe und ihnen die ‚Babys‘, also die Kälber, wegnehme.“ Nicht wenige berichten auch über Beschimpfungen oder Drohungen gegenüber ihren Kindern. Wörtliche Zitate, auch im Netz unlöschbar festgehalten und dokumentiert, lauten etwa: „Deine Kinder sollen auch gebraten werden“ oder diese „sollen an Krebs verrecken.“ Sogar vor „Holocaustvergleichen“, also der systematischen Vernichtung von Juden durch die Nazionalsozialisten, schrecken manche völlige durchgeknallte Hass-Poster nicht zurück.

Verbalattacken
Solche Verbalattacken, mit denen sich Bauern mit Stallhaltung vor allem auf Facebook konfrontiert sehen, sind natürlich nicht jene Rückmeldungen, welche sie sich wünschen. Viele Landwirte nützen die Social Media Plattform nicht nur aus wirtschaftlichen Motiven, etwa um ihre Produkte wie Fleisch, Milchprodukte oder Eier direkt zu vermarkten, sondern auch um über ihre tägliche Arbeit am Bauernhof mit Tieren aufzuklären und dafür die öffentliche Akzeptanz zu verbessern.
Studienautor Christian Dürnberger von der Abteilung Ethik der Mensch-Tier-Beziehung des Messerli Forschungsinstituts resümiert: „Die Studie zeigt, dass nutztierhaltende Landwirte, die ihre Arbeit in sozialen Netzwerken präsentieren, aufgrund ihres Berufes häufig mit Hassreden konfrontiert sind.“ Dieses ernüchternde Ergebnis sei vor allem auch deshalb problematisch, da sich Nutztierhalter nicht nur dazu aufgefordert sehen, tiergerechtere Standards zu erfüllen, so Dürnberger. Viele seien via Internet sogar bewusst auf der Suche nach neuen Wegen der Kommunikation, vor allem im Sinne eines direkteren Dialogs mit Konsumenten und Bürgern. Zwar raten Studien, Bücher und Institutionen, die Kommunikationsmaßnahmen für die Landwirtschaft diskutieren, nach wir vor zur Nutzung „Sozialer Netzwerke“ wie Facebook oder Twitter. Dabei wurde die Rolle von Landwirten auf Face­book wissenschaftlich bisher kaum untersucht“, sagt Dürnberger.

Dialog oder Belehrung?
Er erhob auch die Motive der Landwirte: Warum präsentieren sie ihre Arbeit auf Facebook? Ergebnis: Vielen geht es dabei auch um einen grundsätzlichen Dialog über Landwirtschaft und Nutztierhaltung, und sie hoffen, auf diesem Weg die Deutungshoheit in landwirtschaftlichen Diskursen zurückzugewinnen. Wobei das hierbei zutage tretende Verständnis von „Dialog“ laut dem Studienautor nicht unproblematisch sei. Auch wenn viele Landwirte im Rahmen der Studie den Begriff „Dialog“ verwenden, sei damit in aller Regel weniger ein Austausch auf Augenhöhe zwischen verschiedenen Akteuren gemeint, als vielmehr ein Belehren von Laien, also den Bürgern, durch Experten, sprich den Landwirten, so Dürnbergers Resümee: „Es ist fraglich, inwieweit ein solches Dialogverständnis ausreichend ist, um in sozialen Netzwerken gerade mit kritischen Anfragen adäquat umzugehen.“ Weshalb Dürnberger auch bei den in den Sozialen Netzwerken aktiven Landwirten Verbesserungspotenzial ortet.

Fazit
Die Studie zeige auf, dass es nicht genüge, wenn etwa die Politik von Landwirten fordert, verstärkt den direkten Dialog mit Konsumenten zu führen, meint Dürnberger: „Wenn dieser direkte Kontakt zwischen Bürgern und Bauern in der Tat gesellschaftlich erwünscht ist, dann muss auch analysiert werden, wie dieser Dialog tatsächlich abläuft. Und es muss gefragt werden, inwieweit dieser Dialog konstruktiver gestaltet werden kann.“
Und wie sollen Bauern nun damit umgehen, wenn sie auf Facebook und Co wüst beschimpft werden? „Einige gaben an, dass ihnen mit der Zeit schlicht ein ‚dickeres Fell‘ gewachsen ist, also dass ihnen die Beleidigungen nicht mehr so nahe gehen wie am Anfang“, so Dürnberger. Und manche laden die Hass-Poster auch zu sich auf den Hof ein. „Während im anonymen Diskurs des Internets die Wogen oft hochgehen, ist das persönliche Gespräch überraschend angenehm.“ Und noch eine Frage stellt der Studienautor in den Raum: „Werden die jungen Landwirte adäquat darauf vorbereitet, dass sie künftig einen Job ausüben, der gesellschaftlich mehr und mehr umstritten ist? Ist dieser Aspekt auch Teil ihrer Ausbildung?“

 

Der Artikel „Experiences of criticism/hate speech, motives and strategies among German-speaking livestock farmers using social media“ von Christian Dürnberger wurde im International Journal of Livestock Production veröffentlicht.

 

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