Rübenanbau im Krisenmodus

Überangebot, halbierte Zuckerpreise, Verbot wichtiger Pflanzenschutzmittel – die Rübenbauern stehen von mehreren Seiten unter Druck. Präsident Ernst Karpfinger fordert eine Anpassung der Produktion an den Absatz sowie eine Abgeltung der durch politische Entscheidungen erhöhten Produktionskosten.

Die als „Bienenkiller“ unter Kritik stehenden Neonicotinoide sind bei den Zuckerrüben in der Samenpille enthalten. Das Insektizid liegt unter der abriebfesten Außenhülle. Eine Gefährdung durch Staub bzw. Abdrift ist nicht möglich. Mangels Nahrungsangebots fliegen Bienen Rübenfelder auch nicht an. Das Neonic-Verbot in der Rübe ist für die Bauern ein kostpieliger Rückschritt, da als Ersatzmaßnahme vier bis fünf Flächenspritzungen notwendig werden. Foto: Roman Winkler / markus-goestl.at

Pflanzenschutz ist zu einer Existenzfrage geworden“, mit dieser Feststellung hat Ernst Karpfinger, Präsident der Vereinigung „Die Rübenbauern“ am Mittwoch, den 18. April 2018, seinen Bericht anlässlich der Generalversammlung des Rübenbauernbunds für NÖ und Wien eröffnet. Hintergrund der Feststellung war das EU-weite Verbot von Insektiziden der Klasse der Neonicotinoide. Laut Beschluss der EU-Mitgliedstaaten vom 27. April wird dieses Verbot bereits ab 2019 auch den Anbau von Zuckerrüben betreffen.
Vergeblich war vor diesem Hintergrund, dass Alexander Krick, stellvertretender Direktor des Europäischen Verbands der Rübananbauer (Cibe), sich „bis zur letzten Minute“ bei den zuständigen Stellen in Brüssel für eine Neonic-Ausnahme beim Rübenanbau einsetzen wollte. Krick betonte, dass es für diese Insektizide keine nachhaltige Alternative gebe. Zudem verwies er darauf, dass weitere für den Rübenanbau wichtige Pflanzenschutzmittel, wie das in der Rübenpille ebenfalls enthaltene Fungizid Thiram oder das Herbizid Phenmidipham (der Betanal-Wirkstoff) auf EU-Ebene ebenfalls auf dem Prüstand stünden.

Heutzutage werden die guten Mittel verboten

Im Verbot der Neonicotinoide zur Beizung des Rübensaatguts sah Karpfinger einen „Rückfall in die Steinzeit“. Die EU habe den Zuckermarkt liberalisiert und sei auch dabei, den noch vorhandenen Außenschutz durch Freihandelsabkommen schrittweise zu schwächen. Mit Bezug auf die Restriktionen beim Pflanzenschutz meinte Karpfinger: „Die EU-Kommission setzt die Rübenbauern dem Wettbewerb mit dem Weltmarkt aus und dies sogar noch mit zusammengebundenen Füßen.“

Ernst Karpfinger: „Wir haben zu viele Fabriken in der EU. Die Produktion muss an den Markt angepasst werden.“
Foto: Die Rübenbauern /Hampölz

Was die Marktsituation bei Zucker betrifft, so musste Karpfinger der Generalversammlung von einem „dramatischen Preissturz“ berichten. Für Jänner 2018 hat die EU-Kommission einen EU-Preis von durchschnittlich etwa 370 Euro pro Tonne Weißzucker bekanntgegeben. Damit hat sich das Preisniveau in der EU binnen fünf Jahren halbiert. Aktuell ist von Preisen bereits unter 300 Euro die Rede. Besonders schmerzhaft ist vor allem der rapide Preisverfall, der im Herbst 2017 mit dem Auslaufen der Zuckermarktordnung eingesetzt hat. „Das Problem der europäischen Zuckerproduktion“ ortet Karpfinger vor allem im Verdrängungswettbewerb unter den Produzenten in der EU. Auf den Entfall der Quotenregelung reagierten große Rübenländer wie Frankreich und Deutschland (jeweils +20 %), Großbritannien (+28 %) oder Polen (+14 %) mit deutlichen Anbauausweitungen. In Summe stieg die Anbaufläche in der EU im Vorjahr um rund 240.000 Hektar (= vier Mal die Rübenanbaufläche Österreichs), woraus eine Überproduktion von etwa vier Millionen Tonnen Zucker resultierte. Der derzeitige Preisverfall sei die Folge der Bemühungen, den Zucker auch unter Inkaufnahme von Verlusten zu vermarkten. Österreich habe demgegenüber Marktdiszipilin gehalten und bei den Flächenausweitungen nicht mitgemacht.

Keine Entspannung im laufenden Jahr

Für das laufende Jahr sieht Karpfinger keine Entspannung. Nur um etwa ein Prozent seien in der EU die Flächen zurückgenommen worden. Erst zum Anbau 2019 dürften die negativen finanziellen Folgen der Marktmisere bei den Bauern in Form reduzierter Rübenpreise und bei den Aktionären in Form verminderter Dividenden ankommen.
Einen Ausweg aus der Misere sieht Karpfinger in der Anpassung der Produktion an den Markt. Statt Flächen auszuweiten, sollten jene Unternehmen, „die ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht haben“, Fabriken stilllegen. Karpfinger: „Wir haben zu viele Fabriken in der EU.“ Um den Markt dauerhaft in Ordnung zu bringen, brauche es auf EU-Ebene Ausnahmen beim Wettbewerbsrecht, und man sollte den Restrukturierungsfonds neu auflegen.
Ein weiteres Problem sei, dass Länder wie Tschechien, die Slowakei, Polen, Ungarn und Rumänien weiterhin gekoppelte Prämien für den Rübenanbau bezahlen in einer Bandbreite von 260 bis 600 Euro pro Hektar. Hier müsse Österreich spätestens in der nächsten GAP-Periode nachziehen, denn ohne Hilfe gegenüber diesen Benachteiligungen stünde der Rübenanbau in Österreich vor dem Aus.
In Richtung EU-Kommission appellierte Karpfinger, den unfairen Wettbewerb durch Freihandelsabkommen nicht noch weiter zu verschärfen. Die Landwirte in der EU, die unter höchsten Auflagen produzieren, bräuchten Marktschutz und nicht Marktöffnung. Der Wettbewerb mit Produkten aus fragwürdiger Produktion gefährde Landwirte und Arbeiter in Europa.

Mehrkosten müssen abgegolten werden

In Reaktion auf das am 27. April auch mit Zustimmung Österreichs beschlossene Neonic-Verbot stellte Karpfinger fest, dass dies für die Rübenbauern künftig einen Mehraufwand beim Pflanzenschutz von durchschnittlich 400 Euro pro Hektar bedeute. Karpfinger: „Wer eine heimische Zuckerproduktion aufrechterhalten will und zusätzliche Auflagen von uns verlangt, muss diese dann auch bezahlen. Ansonsten droht uns das Aus.“ Karpfinger fordert nun konkrete Maßnahmen, denn die Politik habe der unsachlichen Angstkampagne einiger NGOs gegen die Neonics nachgegeben. Das Verbot der Neonics in der Rübe werde den Bienen nicht helfen, jedoch massive Probleme für die Bauern und die Konsumenten bringen. Es entbehre jeglicher Vernunft, den Rübenanbau in Europa zu erschweren und stattdessen Zucker aus Überseeländern zu importieren, wo die Produktion unter Einsatz von Gentechnik erfolge und von Pflanzenschutzmitteln, die bei uns längst nicht mehr erlaubt seien.

Hans Maad

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